GAG192: Tiere vor Gericht

Gab es mal eine Zeit, in der Tiere in Strafprozessen zum Tode verurteilt wurden? Und Insekten von der Kirche exkommuniziert wurden, wenn sie sich geweigert haben, Felder oder Weinberge freiwillig zu verlassen? In dieser Folge beschäftigen wir uns mit Tierprozessen. Diese Prozesse tauchen vereinzelt in den Quellen ab dem 13. Jahrhundert auf und erreichen im 16. Jahrhundert ihren Höhepunkt.

Wir sprechen außerdem über die problematische Quellenlage dieser Geschichte: Denn vielleicht gehen die Tierprozesse gar nicht auf echte Gerichtsverfahren zurück, sondern auf das Genre der fiktiven Prozesse, das angehenden Juristen die Grundsätze des „gelehrten römisch-kanonischen Prozesses in erbaulicher Art und Weise“ vermitteln sollte.

Der von Richard in der Folge angesprochene Artikel: When Dickens met Dostoevsky

Vielen Dank an Rene für den Hinweis!

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16 Replies to “GAG192: Tiere vor Gericht”

  1. Mark

    Da gibt es tatsächlich eine Menge Berichte über vermeintliche Tierprozesse. Tatsache ist jedoch auch, dass es kulturell stark rezipierte Fälle von „Hinrichtungen“ aggressiv oder unkontrollierbar gewordener Tiere gab. Allein mehrere Fälle von Elefanten scheinen überliefert. Eine Rezeption dieser Fälle von „mad elephants“ findet sich sogar in dem Disney-Klassiker „Dumbo“, hier wird die gegenüber einem Zirkusbesucher aggressiv gewordene Elefantenkuh, welche die Mutter von „Dumbo“ ist, zwar nicht hingerichtet, aber in einen gefängnisartigen Einzelwagen gesperrt, an dem ein Schild vor dem „Mad Elephant“ warnt.

  2. Stefan

    Vielen Dank für die Folge! Eine Anmerkung: Tiere als Rechtssubjekte zu sehen, ist keineswegs nur eine völlig abwegige „mittelalterliche“ Idee. Erst letztes Jahr (2018!) sind Tierrechtsaktivisten in der Berufung im so genannten „Monkey-Selfie“-Prozess daran gescheitert, einem Affen Copyright zusprechen zu lassen, siehe hier: https://en.wikipedia.org/wiki/Monkey_selfie_copyright_dispute

    Der durchaus ernsthafte Hintergrund der Sache war, dass eine Anerkennung von Tieren als Rechtssubjekte als jursitischer Präzedenzfall ungeheure Auswirkungen auf die rechtliche Basis von Tierschutz hätte. (Wenn ich mich richtig erinnere, gab es dazu mal eine gewohnt exzellente radiolab-Folge, die ich allerdings grade nicht finde.) Tatsächlich ist der genaue Rechtstatus von Tieren in vielen modernen Rechtssystemen ziemlich ambivalent: Prinzipiell werden sie meist als Dinge behandelt, die aber doch irgendwie geschützt werden sollen und daher so eine Art Rechte haben.

    Überträgt man das zurück auf die historischen Mordprozesse gegen Schweine und ähnliche Großtiere (falls es sie denn gab), könnte man argumentieren, dass diesen Tieren gerade durch die Anklage paradoxerweise eigentlich ein hohes Maß an Respekt zugestanden wurde, eben weil man sie (fast) wie einen Menschen behandelte. Dass dem armen Schwein das im Einzelfall natürlich auch nicht viel gebracht hat steht auf einem anderen Blatt.

    • Stefan

      Hab grad in den oben verlinkten Schumann-Aufsatz reingeschaut, da steht ja schon einiges Interessante zum Thema Rechtstatus, z.B. das Tiere und unfreie Menschen zum Teil in einer rechtlichen Kategorie zusammengefasst wurden.

      Der Hinweis zum Affen-Selfie und zur aktuellen Diskussion ist aber vielleicht trotzdem interessant.

  3. Sascha

    „Der Historiker Daniel Meßner weist zudem darauf hin, dass es keinerlei vorhergehende juristische Tradition für diese Prozesse gab, und dass im Gegenteil sogar Aussagen damaliger Herrscher überliefert sind, nach denen Tiere keine Schuld haben können, da sie keine vernunftbegabten Wesen seien. Als Hintergrund für die überlieferten Prozesse vermutet er Übungsaufgaben für angehende Juristen“
    Nicht schlecht, nun werdet ihr schon bei Wikipedia zitiert.

  4. Samuel 1BK

    Also ich fand das Thema sehr interessant und die einzelnen Geschichten zum Thema rundherum auch! Sehr schade um die zwei Elefanten :(. Macht weiter so mit euren Podcasts sind super!

  5. Vanessa

    Diese Folge hat mir insgesamt sehr gut gefallen. Das Thema an sich ist sehr interessant und die Geschichten und Tatsachen, die damit zusammenhängen umso interessanter. Ihr habt das cool rübergebracht.
    Ich finde es sehr traurig, dass die Elefanten hingerichtet wurden und beispielsweise menschliche Mörder nur ins Gefängnis kommen.
    Das Thema, dass Tiere vor Gericht standen und die Geschichten dazu schienen mir von Anfang an sehr unglaubwürdig, aber einiges war schon nachvollziehbar wie z.B. der Wolfsgalgen zur Warnung der Artgenossen. 🙂

  6. Fabian

    Super spannende Folge und besonders gut gefallen hat mir der Hinweis auf AD Harvey und seinen Dickens-Hoax. Vor ca. zwei Jahren habe ich Harvey einmal im Bus in London getroffen, wo er sich neben mich setzte und mich auf meinen Jutebeutel vom Deutschen Forum für Kunstgeschichte in Paris angesprochen hat. Er war gerade auf dem Weg in die British Library und hat ein wenig von seinem breiten Forschungsinteresse und seiner Frustration mit dem universitären Establishment erzählt. Die Beschreibung von Stephen Moss in seinem Guardian Interview mit Harvey, das er 2013 nach der Enthüllung des Hoax geführt hat, würde ich ihn jedem Fall unterschreiben (https://www.theguardian.com/books/2013/jul/10/man-behind-dickens-dostoevsky-hoax). Auf jeden Fall eine spannende Episode in der Seifenoper, die sich oftmals an Universitäten abspielt!

  7. Nils

    Übrigens erfreuen sich strafrechtliche Gutachten über fiktive und kuriose Fälle unter Juristen immer noch großer Beliebtheit. Unter Jurastudenten sehr bekannt sind die Bücher: „Der Fall Rotkäppchen“, „Der Fall Christkind“ oder „Der Fall Max und Moritz“.

  8. AnneG

    :O) habt jetzt doch einen eigenen Wikipedia-Eintrag bekommen
    https://de.wikipedia.org/wiki/Geschichten_aus_der_Geschichte_(Podcast)

    ….aber das wisst ihr bestimmt längst. Deswegen nur der Vollständigkeit halber.
    ich habe erst vor kurzem euren Podcast entdeckt und höre mich anhand der Geschichten-Karte durch alte Folgen und Mittwochs immer die neue Folge.
    Zum Thema Tierprozesse habe ich schonmal einen anderen Podcast (radio wissen bayern 2) gehört, wo sehr überzeugend argumentiert wurde, dass es die Prozesse gab bzw. dies nicht in Frage gestellt wurde. Deswegen war ich umso erstaunter diese „Auflösung“ zu hören. Und die ganze Thematik der Quellenfälschung finde ich interessant. Glaube also nicht nur der Statistik, die du selbst erstellt hast, sondern auch der Quelle, die du selbst gefunden hast?!

  9. Michael

    Da ich euch leider erst sehr spät entdeckt habe und chronologisch nachhöre, kommt mein Kommentar etwas später:
    Wieder einmal eine wunderschöne Folge. Kleine Anmerkung zu Hoax:
    Es gibt auch aus Deutschland ein sehr schönes Beispiel. Als Wolfgang Hildesheimer (https://de.wikipedia.org/wiki/Wolfgang_Hildesheimer) 1977 seine berühmte Biographie über Mozart schrieb, stellte er fest, dass es eigentlich unmöglich ist eine objektive Biographie zu schreiben, da der Biograph nicht aus seinem Sozialisierungs- und Wissenskontext austreten kann und dementsprechend Kontexte als gegeben annimmt, obgleich diese ja nur aufgrund seines Wissens- und Erlebenskanon so sind und nicht notwendigerweise schon immer so waren.
    Aufgrund dieser Erfahrung schrieb er eine (filktive) Biographie über Marbot (ein Anagramm zu Mozart) und „vergaß“ Anfangs zu erwähnen, dass es sich hierbei um eine Fiktion handelt, die nur aussieht wie eine wissenschaftliche Arbeit. Das Buch war so gut geschrieben und mit (falschen) Quellen und Zitaten versehen, dass große Teile der wissenschaftlichen Welt darauf zunächst hereinfielen und die dort gebrachten Zitate von Schopenhauer, Goethe und co als real annahmen. Selbst große Kenner von z.B. Schopenhauer meldeten sich bei ihm um zu hinterfragen, wo und wie er diese tollen Begebenheiten den gefunden hätte ohne zu hinterfragen ob diese den überhaupt real sein könnten.

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