GAG293: Als in Europa Menschen ausgestellt wurden
Ende des 19. Jahrhunderts kam Nayo Bruce aus Togo in Westafrika ins Deutsche Kaiserreich und wurde Teil einer „Völkerschau“ bzw. eines Menschenzoos. Im Rahmen der Berliner Gewerbeausstellung 1896 – die als verhinderte Weltausstellung bekannt ist – fand auch eine Kolonialausstellung statt, bei der über 100 Afrikanerinnen und Afrikaner in nachgebauten Dörfern ihr Alltagsleben nachspielen mussten. Als Mitglied der sog. „Togo-Truppe“ oder „Togo-Karawane“ zog Nayo Bruce in den folgenden Jahren mit seiner Familie jahrzehntelang quer durch Europa und wurde schließlich selbst zum Impresario der Gruppe.
Wir sprechen in der Folge über die Geschichte der „Völkerschauen“, welche Rolle der Hamburger Carl Hagenbeck darin spielte und warum die letzte „Völkerschau“ bei einer Weltausstellung vorzeitig abgebrochen wurde.
Zwei Bücher werden in der Folge erwähnt: „Nayo Bruce. Geschichte einer afrikanischen Familie in Europa“ von Rea Brändle und „Gezähmte Wilde: Die Zurschaustellung exotischer Menschen in Deutschland 1870-1940“ von Anne Dreesbach.
Um hier nicht die Klischees und Stereotype der Völkerschauen zu reproduzieren, zeigt das Episodenbild kein zeitgenössisches Plakat eines Menschenzoos, sondern das heutige „Afrika-Panorama“ im Tierpark Hagenbeck.
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Ausgestellte Menschen gab es noch bis in die 70er Jahre: Aus meiner Grundschulzeit erinnere ich mich noch an das „Liliputanerdorf“, in dem in einem Vergnügungspark (Holiday-Park Haßloch) Kleinwüchsigen Menschen ausgestellt wurden.
Hallo ihr Lieben,
ich höre Euch immer im Homeoffice und heute nutze ich die gelegenheit zum Verbessern. Die letzte Menschenschau war keineswegs in der 50gern, siehe:
https://de.wikipedia.org/wiki/V%C3%B6lkerschau
Besonders krass und kaum zu glauben (weil zu unseren Lebzeiten):
https://sz-magazin.sueddeutsche.de/gesellschaft-leben/besuch-in-der-kleinstadt-79783
https://de.wikipedia.org/wiki/Holiday_Park
Ein lieber Freund hat das als Kind mal gesehen….und mir irgendwann erzählt.
Hier noch ein Link zu den Menschenschauen auf dem Oktoberfest mit Buffalo Bill und dem großartigen Sitting Bull. der in München eine Rede hielt. Mein Vater, geb. 1919, erzählte noch lange davon.
https://www.br.de/radio/bayern2/sendungen/land-und-leute/buffalo-bill-in-muenchen-schreiber100.html
Stichwort Menschzoo: Im Rheinland-pfälzischen Vergnügungspark „Holiday-Park“ wurden bis in die 90er Jahre des 20 Jahrhunderts kleinwüchsige Menschen „ausgestellt“, die dort vor aller Augen in einem Dorf lebten.
Tolle Folge! Hat mich an die Erzählungen meiner Großmutter von den kleinwüchsigen „Liliputanern“ erzählt, deren „Dorf“ für sie als Kind (ca. 1940er) immer der Höhepunkt der jährlichen Kirmes war. Anscheinend gab es diese Art der Ausstellung von Kleinwüchsigen bis in die 1990er Jahre.
Vielen Dank für die interessante Folge!
Kleine Ergänzung aus einem verwandten Gebiet: Während das Interesse an solchen Zurschaustellungen aus „ethnologischen“ Motiven nach dem Zweiten Weltkrieg offenbar relativ schnell zum Erliegen kam, hat sich das „Freakshow“-Prinzip (also die Vorführung von Menschen mit physischen Abweichungen aller Art) noch erstaunlich lange gehalten: Im Holiday-Park in Haßloch (Rheinland-Pfalz) gab es von der Eröffnung 1971 bis 1996 (!) das sogenannte „Liliputanerdorf“, in dem Kleinwüchsige in von außen einsehbaren Wohnwagen bestaunt werden konnten…
Genaugenommen gab es in Deutschland noch in den neunziger Jahren eine Art Menschenzoo, in dem Menschen in einer Art fiktiven „natürlichen Umgebung“ ausgestellt wurden:
https://sz-magazin.sueddeutsche.de/gesellschaft-leben/besuch-in-der-kleinstadt-79783
Auch wenn es sich nicht um Menschen aus einer fernen Gegend handelte, wurde doch so getan, als würden sie quasi einem eigenen „Volk“ angehören.
Bisschen schräg, wenn alle das gleiche antworten, weil man die anderen Antworten noch nicht sehen konnte. 😉
Aber ich freue mich, dass es noch mehr Leute gibt, die davon wissen und denen es nicht egal ist. <3
Das Buch von Peter Altenberg über die „Aschanti-Neger“, auf der Völkerschau 1986 in Wien, samt erotischer Verwicklungen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Ashantee
Trotz der äusserlichen Unterschiede sind die Menschen aller Kontinente sich genetisch sehr ähnlich. Fun Fakt: die Europäer sind nahe mit Ostafrikanern verwandt. Ostafrikaner sind von Westafrikanern genetisch weiter weg als von Europäern. (Johannes Krause, Max Planck Institut Jena).
Nicht ganz das gleiche, aber Jemmy Button fällt mir dazu noch ein. (Angeblich Namensvorbild von Jim Knopf)
https://en.m.wikipedia.org/wiki/Jemmy_Button
Passend zum Thema, wenn auch Fokus London und New York: „The Zulus of New York“ von Zakes Mda (Umuzi: 2019). Historical fiction – aber genau deshalb auch spannend, weil es von der Warte eines „zur Schau Gestellten“ aus geschrieben ist. Der das business ebenfalls selber übernimmt, weil die vertraglichen Bedingungen so miserabel sind.
https://www.goodreads.com/book/show/43560975-the-zulus-of-new-york
Grüß Euch und danke orweg für Euren preisgekrönten podcast!
Wann fühlte sich der letzte Zoo in Europa dazu bemüßigt, „Afrika“ und seine Menschen als Attraktion in den Zoo zu setzen? In Deutschland fielen mir spontan 2 Beispiele ein die in diesem Jahrtausend noch stattfanden: Augsburg und Ebersbalde. 2010 und 2014, wenn ich nicht irre. Nach massiver Kritik und um schlechte Presse zu vermeiden, wurden die Umsetzungen dann frühzeitig beendet. Es ist trotzdem schocking, dass das überhaupt noch möglich ist!
gerade hat sich martin puntigam auf ö1 als fan geoutet. schön!
mehr zum thema, vor allem in Bildern findet man auch z.B unter https://humanzoos.net/
danke für den, wie immer spannenden, podcast 🙂
Daniel beschreibt das Kongo Dorf in den 50ern in Brüssel und Richard erwähnt was König Leopold II. im Kongo angerichtet hat. Heute ist Dr. Emmanuel de Merode der Direktor des Virunga Nationalparks im Osten des Kongo. In der Region herrschen kriegsähnliche Zustände. Zusammen mit den kongolesischen Rangern wurde schon viel Gutes für den Kongo vollbracht. P.s: mit Affen kennen sie sich im Kongo wirklich aus. Es waren schon Pflegerinnen aus der Stuttgarter Wilhelma im Virunga Park um zu sehen wie sie dort Gorilla Waisen betreuen.
Und an dem Ort des ehemaligen Kongo-Dorfes in Tervuren bei Brüssel steht jetzt das Afrika-Museum.
Zum Kongo bzw. den vielen belgisch-kongolesischen Verbindungen gibt es ein wirklich hervorragendes Buch von David van Reybrouck:
https://andreas-moser.blog/2019/10/03/kongo/
Dieser Podcast erinnerte mich an eine unglaubliche Geschichte, die in dem Buch „El Negro. Eine verstörende Begegnung“ des Niederländers Frank Westerman beschrieben ist. Er fand in einem spanischen Museum, in einem Ort in den Pyrenäen, einen ausgestopften Afrikaner vor. In dem Buch beschreibt er, wie dieses „Exponat“ 1997 dann doch aus der Ausstellung genommen wurde, noch eine Weile im Fundus des Museums blieb, um schließlich nach Afrika zur Bestattung überführt zu werden. Diese Extremform rassistischen Handelns gab es also auch, wohl nicht als ein solches Massenphänomen wie die Menschenzoos. Wie oft … würde mich allerdings auch mal interessieren. Auf der Website des Autors (http://www.frankwesterman.nl/boeken/el-negro-en-ik/) lese ich jedenfalls, dass er noch 1999 im Anatomischen Museum von Modena zwei ausgestopften Schicksalsgenossen begegnet ist, einem Nubier und einem Äthiopier.
Ich war in den 90ern im bereits mehrfach genannten Holiday Park. Das „Liliputdorf“ war damals schon nicht mehr wirklich „bewohnt“. Ich war damals noch keine 10 Jahre alt und hatte erst vor einigen Monaten ein wenig recherchiert, ob ich damals alles so richtig wahrgenommen hatte. Ich war zutiefst erschüttert, das es noch schlimmer war, als ich es mir vorstellen konnte. Gott sei Dank ist das mittlerweile Geschichte!
Ich bin Jahrgang 69 und erinnere mich tatsächlich noch gut an die Liliputaner im Holidaypark. Fasziniert war ich, dass eine der Frauen auch so eine piepsige Stimme hatte.
Als Kind habe ich mir damals keine Gedanken gemacht. Auch meine Eltern und Großeltern, die mit mir dort waren, waren unbedarft.
Dass das Thema erledigt ist ist natürlich gut und heute sehe ich das auch mit anderen Augen.
Bis in die 90er ist schon heftig.
ABer wenn man den Artikel in der SZ liest, wird klar, dass die Bevölkerung selbst Schuld an dem Thema war. Die Mehrheit hat sich eher für das Leid der Delfine interessiert als für die Menschen.
Nachdenkenswert.
Heute zufällig im NDR gesehen: Menschen ausgestellt im Zoo – Das dunkle Kapitel Völkerschauen
https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/panorama3/Fussballstar-Urgrossvater-als-Kannibale-in-Hagenbecks-Tierpark-ausgestellt,hagenbeck1384.html
Wie immer eine tolle Folge. Vielen Dank. Ihr macht das einfach super! In Kunming/ China gibt es seit Ende der 90er Jahre einen Minderheitenpark: https://en.m.wikipedia.org/wiki/Yunnan_Ethnic_Village
Hi,
komplementär zu Eurer Geschichte lief gestern eine Doku über die Geschichte der Afrodeutschen in der ARD.
https://www.daserste.de/information/reportage-dokumentation/geschichte-im-ersten/videos/schwarz-und-deutsch-video-100.html
Auch hier ging es um Widerstand, Empowerment und Völkerschauen.
Sehr sehenswert!
Gestern ist auf youtube vom Kanal Strg-F eine Reportage um die Völkerschau im Tierpark Hagenbeck veröffentlicht worden:
https://www.youtube.com/watch?v=HyzXQUbDcgE
Ergänzt die Geschichte sehr gut und zeigt wie menschenverachtend es dabei zuging. Der Tierpark und die Familie geben dabei auch heute noch kein gutes Licht ab, weil die Zeit nicht aufgearbeitet wird / wurde.